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A plea against Salafism
EFD Policy Advisor, Ahmad Mansour's plea against Salafism published in the German daily Die Zeit.
(Original in German below)
First of all, I would like to clarify one thing. I am a Muslim but Salafists are not my brothers and I am not part of fictitious, globally suppressed Muslim community – the so called Ummah. Salafism does not represent me, either as an individual or as a human being. They do not represent Islam as I understand it. In contrast to them, I believe that freedom of speech, democracy, human rights and tolerance are not one way streets or instruments to spread hatred in Europe.
Much has been written and reported on Salafism. In current debates there is an unfortunate marked absence of Muslim voices. Muslim associations and organisations do not realise the dangers of Salafism and are approaching the issue from a narrow point of view. Some try to downplay the problems with Salafism. Some even appear on stage with the Salafists – like the “Rat der Muslime” (Council of Muslims)in Bonn recently – while policemen are attacked and severely injured by Salafists and then are surprised that they cannot stop violence. For some, Salafists are even brothers and sisters in Islam.
Even though the Salafist community is very divided, and even though the so-called Jihadists who either call for outright armed Jihad or who seek to legitimise it remain a minority, I remain convinced that Salafism as an ideology stands in stark contrast to constitutional democracy. Violence doesn’t just begin when people shoot at each other people in the name of religion. In my opinion, polygamy, gender segregation, a claim to a monopoly of the truth, the rejection of democracy and the belief in the need to “save” people from their godless and miserable lives are already forms of violence which must be stopped.
To halt the spread of Salafism we must look at the reasons for the rapid spread of such an ideology in order to understand the excessive violence during the last few weeks. In the last couple of years more and more people who are prepared to use and propagate violence have joined this movement. Salafism offered them a platform from which they can act out their political and religious aggression.
Many of its followers were only too happy about the provocations[1] by Pro NRW (a right-wing, anti-Islamic group in Germany). For them it was the perfect opportunity to corroborate their world view, one which is based on the idea of “victimhood”, with the provocations giving them yet another reason to rebel against society.
We also must understand why this ideology holds such a magnetic appeal, particularly among adolescents. The reason lies not only in failed integration, which some claim is the case in order to remove the responsibility from their own community. Instead, we should look for reasons within the community. Salafists did not invent anything new but merely moulded a common understanding of Islam into an extreme form.
Exclusion, alienation, the cultivation of a victim mentality, the support for their own followers and depreciation of others, the claim to the absolute and only truth, the ban in questioning religious declarations, the rejection of new and modern interpretations of Islam, the taboo of sexuality, intimidating teachings which put the fear of hell above everything else, the claim to have an answer for everything and the pressure to copy the life of the Prophet – these are all things that appeal to adolescents and that give them a clear orientation of right and wrong.
Additionally there are other issues that play a central role for “Mustafa-the-average-Muslim”. Namely, control-orientated methods of bringing up children that focus on collectivism and respect for authority, and that function as amplifiers and foster weakness among adolescences for the arguments of the Salafists. With their clear codes of conduct, they offer stability and appear to make life easier.
To counter such an ideology we need strong and convincing Islamic role models, who are capable of leading a debate on Islamic values beyond the ideas of discrimination and the victim mentality. We need a courageous and contemporary interpretation of Islam with clear positions on our democratic values and our constitution. We need a subtle interpretation of Islam, which is able to take criticism and is capable of theologically justifying a democratic Islam.
Where are these role models?
[1] At a rally “Pro NRW” followers showed “the Danish“ Mohammad caricatures
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Warum nur Muslime den Salafismus besiegen können
Vorab möchte ich etwas klar stellen: Ich bin Muslim, aber Salafisten sind nicht meine Brüder, und ich bin auch kein Teil von irgendeiner imaginären, weltweit unterdrückten muslimischen Gemeinde, der so genannten Umma. Salafismus repräsentiert mich als Individuum und als Menschen nicht. Sie repräsentieren den Islam nicht – nicht wie ich ihn verstehe! Im Gegensatz zu ihnen sind für mich Meinungsfreiheit, Demokratie, Menschenrechte und Toleranz keine Einbahnstraße und kein Instrument, um hierzulande Hass frei zu verbreiten!
Es wurde viel über den Salafismus geschrieben und berichtet. Leider habe ich in dieser aktuellen Debatte die muslimischen Stimmen vermisst! Vereine und Verbände erkennen die Gefahren des Salafismus nicht und handeln aus sehr eingeschränkter Sicht. Manche versuchen das Problem zu verharmlosen. Manche stehen sogar mit Salafisten auf einer Bühne – wie der Rat der Muslime in Bonn – während Polizisten angegriffen und schwer verletzt werden und wundern sich, dass es ihnen nicht gelingt, diese Gewalt zu stoppen. Und für manche sind Salafisten Brüder und Schwestern im Islam!
Das ist keine Überraschung: Denn Salafismus ist letztendlich nur die Zuspitzung von Inhalten, die für viele muslimischen Vereine, Verbände und Mitbürger Teil ihres Glaubens sind.
Auch wenn die salafistische Szene sehr gespalten ist, und auch wenn die so genannten Dschihadisten, die zum bewaffneten Kampf aufrufen und ihn legitimieren, die Minderheit bei den Salafisten ausmacht, bin ich der festen Überzeugung, dass der Salafismus als Ideologie im Widerspruch zu unserem Rechtsstaat steht. Gewalt fängt nicht erst da an, wo Menschen im Namen der Religion auf andere schießen. Für mich sind Polygamie, Geschlechtertrennung, Exklusivitätsanspruch, die Ablehnung der Demokratie und des demokratischen Rechtssystems, sowie der Glaube, Menschen vor ihrem gotteslosen und elenden Leben retten zu müssen, schon eine Form der Gewalt, welcher Einhalt geboten werden muss.
Um dem Salafismus Einhalt gebieten zu können, müssen wir die Gründe für die rasante Verbreitung solchen Gedankenguts und der Gewaltexzesse der letzten Wochen verstehen. In den letzten Jahren haben sich immer mehr gewaltbereite und gewaltverherrlichende Menschen dieser Strömung angeschlossen. Der Salafismus bot ihnen eine Bühne, auf der sie ihre Aggressionen politisch und religiös ausleben können. Jene Anhänger, die sich immer gern als Beleidigte und Entrechtete darstellen, haben sich über die Provokation der Pro NRW gefreut. Für sie war dies die große Chance, ihre vom Opferstatus geprägte Weltanschauung zu bestätigen und sich und ihren Anhängern noch einen Grund zu liefern, gegen diese Gesellschaft zu rebellieren.
Wir müssen begreifen, wieso das salafistische Gedankengut insbesondere auf manche Jugendliche eine magnetische Anziehungskraft ausübt. Es liegt nicht nur an der gescheiterten Integration, wie manche gerne behaupten, um die Schuld von der eigenen Community weg zu schieben. Wir Muslime müssen vielmehr die Gründe in unseren eigenen Reihen suchen. Der Salafismus hat schließlich nichts Neues erfunden, sondern ein weit verbreitetes Islamverständnis in eine extreme Form gegossen.
Ausgrenzung, Entfremdung, die Pflege der Opferrolle, Aufwertung der eigenen Anhänger und Abwertung aller anderen, die Behauptung, die absolute und einzige Wahrheit zu besitzen, das Verbot, Aussagen zu hinterfragen, die Ablehnung neuer zeitgemäßer oder wissenschaftlicher Islaminterpretationen, die Tabuisierung der Sexualität, eine einschüchternde Pädagogik, die die Angst vor der Hölle über alles setzt, der Anspruch, auf alles eine Antwort zu haben und das Leben des Propheten buchstäblich nachahmen zu müssen – das alles sind Aspekte, die bei den Jugendlichen sehr gut ankommen. Der Salafismus bietet ihnen den Schein der Sicherheit durch eine glasklare Unterscheidung zwischen richtig und falsch. Was die Sache schwierig und zugleich dringlich macht: Es geht hier um Aspekte, die auch zentrale Bestandteile des Islamverständnisses eines „Mustafa-Normal-Muslims“ sind. Kontroll-orientierte Erziehungsmethoden, die auf Kollektivität und Respekt vor Autorität abzielen, wirken hier als Verstärker und begründen die Anfälligkeit von Jugendlichen für die Argumentationen der Salafisten. Mit ihren klaren Verhaltensvorgaben geben sie Halt und erleichtern scheinbar das Leben.
Um solchem Gedankengut Einhalt zu gebieten, brauchen wir starke und überzeugende islamische Vorbilder, die in der Lage sind, die Debatte über islamische Werte jenseits von Opferrolle und Diskriminierung zu führen. Wir brauchen eine mutige und zeitgemäße Islaminterpretation mit klaren Positionen im Hinblick auf unsere demokratischen Werte und unser Grundgesetz. Wir brauchen eine Islaminterpretation, die kritikfähig und in der Lage ist, einen demokratiefähigen Islam theologisch zu begründen!
Wo sind diese Vorbilder?