News

“In Iran there are no free elections”

17 June 2013

EFD Senior Fellow discusses Iran's elections, its minorities and Hezbollah's activities in Europe.

„Im Iran gibt es keine freien Wahlen“

Am 21. Juni wird Wahied Wahdat-Hagh, Iran-Experte und Senior Fellow der European Foundation for Democracy, im Rahmen der Veranstaltungsreihe Gegen den Al-Quds Tag in Wien einen Vortrag zur Lage der Bahai im Iran halten. Unique sprach mit ihm über die iranischen Präsidentschaftswahlen, die Hisbollah und den Al-Quds Tag.

Im Juni finden die iranischen Präsidentschaftswahlen statt. Was hat sich seit 2009 geändert?

Der bekannte ‚reform-islamistische‘ Politiker Mostafa Tajzadeh schrieb vor wenigen Tagen einen offenen Brief aus dem Gefängnis und sagte, dass es sich nicht lohnen würde, an den Wahlen teilzunehmen. Die ‚links-islamistischen‘ Organisationen sind ohnehin verboten. Mir Hossein Mousawi und Mehdi Karoubi, die Kandidaten der letzten Präsidentschaftswahlen, sind in Haft. Mohammad Khatami, der Vorgänger von Ahmadinejad, hat sich nicht aufstellen lassen. Mohamadrezas Arefs Rede im Fernsehen wurde vor wenigen Tagen unterbrochen. Ob es wirklich ein technischer Fehler war, ist unklar. D. h. der große Mythos des dualistischen Systems der Islamischen Republik Iran (IRI), das angeblich aus dem ‚reform-islamistischen‘ Lager und den sogenannten Hardlinern besteht, ist nun endgültig Fiktion. Dies sollte Folgen haben für die EU-Außenpolitik, die stets von einer Reformierbarkeit der totalitären Diktatur ausging und damit ihre wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Iran legitimierte. Dies wurde von einigen linken und rechten europäischen Parteien unterstützt. Es war aber eine falsche Politik, die einen hohen Preis hatte: Die Stabilisierung der totalitären Diktatur wird sich immer schwerer zurückschrauben lassen.

Das ‚reformistische Lager‘, auf das westliche Medien und auch viele in der iranischen Bevölkerung 2009 die Hoffnung gesetzt haben, hat also keine Relevanz. Insofern macht es keinen Unterschied, ob der nächste Präsident aus dem reformistischen oder konservativen Lager kommt?

Mohammadreza Aref und Hassan Rohani, die für manche Pro-‚Reformislamisten‘ als Oppositionspolitiker gelten, sind Karikaturen von ‚Reformern‘, die ein System demokratisieren könnten. Nein, es gibt keine Kräfte unter den Kandidaten, die einen Demokratisierungsprozess einleiten könnten. Dieser müsste durch gesellschaftlichen Druck entstehen, aber der Druck der totalitären Machthaber ist größer. Im Iran gibt es keine freien Wahlen. Die IranerInnen dürfen nur die Kandidaten der Diktatur wählen. In der IRI gab es noch nie freie Wahlen. An freien Wahlen hätten RoyalistInnen, KommunistInnen, SozialdemokratInnen, Liberale, Grüne – alle diese Parteien sind im Exil oder im Iran im Untergrund – teilnehmen müssen. Viele europäische ExpertInnen versuchen, die säkularen Kräfte des Iran aus der Diskussion herauszuhalten. Dies wird sich aber historisch strafen. Denn die IslamistInnen erklären zwar gerne das Ende der Geschichte. Sie meinen, dass die iranische Geschichte mit ihrer fundamentalistischen Interpretation des Islam enden werde, aber da irren sie sich. Die Geschichte wird eines Tages auch im Iran weitergehen und die Islamische Republik wird überwunden werden.

Seit den Protesten wegen der gefälschten Präsidentschaftswahlen 2009 ist die Herrschaftslegitimation stetig gesunken. Wissen Sie Genaueres über die jetzige Lage im Iran?

In der iranischen Gesellschaft herrscht ein Klima der Angst. Die IRI war von der Stunde null an eine totalitäre Diktatur und ist es bis heute geblieben. Schon zu Beginn war dieses System keine legitime Herrschaftsform. Denn was Khomeini erfand war ein Novum in der islamischen Geschichte. Es gab ähnliche Ansprüche am Ende des 19. Jahrhunderts, die sich nicht durchsetzten. Man darf nicht vergessen, dass nach der islamischen Revolution auch schiitische Ayatollahs im Gefängnis landeten, weil sie der khomeinistischen Interpretation des Islam widersprachen.

Max Weber hatte für traditionelle Gesellschaften eine legitime islamische Herrschaftsform ausfindig gemacht. Aber der Iran war in den 1970er Jahren keine traditionelle, sondern eine zerrissene Gesellschaft, zwischen Modernität und rückschrittlicher, religiöser Tradition. An diesem Widerspruch ist der Iran zerbrochen. Das Ergebnis war die IRI, die von Anfang an eine historische Katastrophe für den Iran war. Daher nimmt aus der Sicht der islamistischen Machthaber vielleicht die Herrschaftslegitimation ab, weil noch nicht einmal die ‚Reformislamisten‘ mehr im engsten Zirkel der Macht dabei sind.

Die Situation von 2009, bei der es zu Massenprotesten kam, wird sich also Ihren Einschätzungen nach nicht wiederholen?

Die totalitäre Diktatur hat sich massiv auf Demonstrationen vorbereitet und ist bereit, jede Bewegung mit brutaler Gewalt im Keim zu ersticken. Dabei wird natürlich jeglicher Protest gegen die islamistische Regierung im Namen Gottes religiös denunziert. Als ob diejenigen, die Freiheit und Demokratie und Menschenrechte wollten, sich gegen den Willen Gottes richten würden. Aber Revolutionen und Kriege kann man nicht wirklich vorhersagen.

Wie sieht es gegenwärtig mit der Oppositionsbewegung im Iran aus?

Die säkulare Oppositionsbewegung wurde vor 30 Jahren eliminiert. Die StudentenInnen und MenschenrechtsaktivistInnen und ihre AnwältInnen sitzen in Haft. Die FrauenaktivistInnen ebenfalls. Und die ArbeiterInnenbewegung meldet sich sporadisch. Eine totalitäre Diktatur kann eine Opposition nicht dulden.

Sie forschen u. a. zur Verfolgung der Bahai im Iran. Wer sind die Bahai und warum gelten sie im Iran als Apostaten und sind permanenter Verfolgung ausgesetzt?

Die Bahai glauben, dass Baha’u’llah ein neuer Offenbarer ist, der mit der Bahai-Religion eine religiöse Basis für die globalisierte Welt bieten kann. Sie treten für die Gleichberechtigung von Mann und Frau und für den Dialog der Religionen ein. Die iranischen IslamistInnen verfolgen die Angehörigen der Bahai-Religion, weil sie der Meinung sind, dass Mohammad der letzte Prophet Gottes gewesen sei. Es gibt theologische und gesellschaftspolitische Gründe für die Verfolgung, weil beispielsweise die Bahai-Frauen unter anderen Umständen keine Kopf bedeckung tragen und frei leben würden. Aber auch die Haltung zu einer parlamentarischen Demokratie spielt eine Rolle: Die Bahai verteidigen eine freie demokratische Zivilgesellschaft oder eine parlamentarische Demokratie, auch wenn sie selbst nicht Mitglied von Parteien werden und eher auf zivilgesellschaftliche Aktivitäten setzen.

Wie sieht die Lage von anderen Minderheiten aus?

Im Iran werden AnhängerInnen des Christentums, Judentums und Zoroastrismus zwar anerkannt, aber stehen auch unter Druck. Erst kürzlich wurde ein armenischer Pfarrer verhaftet. Ansonsten werden neukonvertierte ChristInnen stark verfolgt, weil ihnen Apostasie vorgeworfen wird. Und wenn Juden und Jüdinnen sich mit Israel, der Heimstatt der Juden identifizieren, bekommen sie große Schwierigkeiten. Die Bahai gelten als vogelfrei.

Vor kurzem wurde der jüngste Bericht der International Atomic Energy Agency veröffentlicht. Er besagt, dass der Iran trotz internationaler Kritik weiter an seinem Atomprogramm arbeite. Die Behörde kritisiert auch, dass die iranische Regierung den Inspekteuren keinen Zugang zu Anlagen gewährt hat, in denen die Fortsetzung dieses Programms vermutet wird. Wie sehen Sie angesichts dessen ein Vorgehen der USA und der EU?

Ich nehme an, dass die US-Regierung es ernst meint, wenn sie sagt, dass sie keine iranische Bombe dulden wird. Zumindest hat der US-amerikanische Präsident auch von roten Linien in Bezug auf den Iran gesprochen. Dabei sind die USA sehr kompromissbereit und würden mit den iranischen Machthabern sprechen. Aber die iranische Führung will und kann aus ideologischen Gründen nicht mit den USA und dem Westen in Frieden leben. Erst recht nicht mit Israel. Auch hier ist eine Vorhersage sehr schwierig. Die PolitikerInnen, auch der westlichen Regierungen, wissen oft nicht, was sie am nächsten Tag machen. Daher werden politische Entscheidungen in Bezug auf den Nahen Osten sehr zeitnah zu den betreffenden Ereignissen getroffen. Deswegen kann man Tendenzen der Gegenwartsgeschichte erkennen und diese benennen, aber eine Entwicklung nicht wirklich vorhersagen. Ich würde sagen, dass sich die Geschichte der friedlichen Koexistenz, die zwischen dem sozialistischen Lager und dem Westen beispielsweise im 20. Jahrhundert existierte, nicht per se auf den Iran und den Westen übertragen lässt. Die Tendenz ist, dass der Westen unwillig ist, die khomeinistische Atombombe einfach zu schlucken, und dass der Iran seine ideologische Herrschaftsform nicht aufgeben kann und immer extremer wird.

Im Vorgehen der EU wird insbesondere aufgrund des Anschlags in Burgas 2012 die Forderung laut, die Hisbollah auf die EU-Terrorliste zu setzen. Hat diese Forderung Aussicht auf Erfolg und was würde das Blacklisting der Hisbollah bedeuten?

Die europäischen Regierungen sind in einer Zwickmühle. Sie haben Angst vor dem Terror der Hisbollah in Europa. Das ist ein Grund, warum sie die Hisbollah nicht auf die Terrorliste setzen möchten. Aber vielleicht werden sie es tun. In Deutschland gibt es immer mehr Stimmen von der politischen Klasse, die zumindest den militärischen Flügel auf die Terrorliste setzen wollen. Dabei kann man im Falle von Hisbollah nicht zwischen militärischem und politischem Flügel trennen. Nach meinen Analysen ist die Hisbollah eine Terrororganisation und nicht wirklich eine wohltätige Organisation. Sicherlich ist in der Masse der AnhängerInnenschaft der Hisbollah in Libanon nicht jeder ein Terrorist. Manche von ihnen glauben als Mitglieder an Khamenei und Khomeini. Aber nichtsdestotrotz, auch das ‚normale Mitglied‘ unterstützt den Terror der Hisbollah und ist als Mitglied einer Terrororganisation zu betrachten.

Ist die Argumentation der EU in diesem Sinne nicht fadenscheinig? Immerhin gibt es den Terror der Hisbollah ja auch in Europa.

Europa hat wirtschaftliche Interessen insbesondere auf dem iranischen Markt. Die Sanktionen kamen auf Druck der USA zustande und Fakt ist, dass Europa immer noch gute Handelsbeziehungen mit dem Iran hat, auch wenn die Zahlen eindeutig zurückgegangen sind. Ein Verbot der Hisbollah könnte auf jeden Fall die Beziehungen mit dem Iran trüben. Daher hat man in einem verbalen Burgfrieden quasi über Jahrzehnte die Hisbollah agieren lassen, unter der Bedingung, dass sie keine Gewaltakte gegen und in Europa ausführt. Nach Burgas nimmt dies vielleicht ein Ende. Vielleicht entscheiden sich immer mehr europäische Regierungen für ein Verbot der Hisbollah.
In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage nach der Relevanz des Al-Quds Tags, an dem auch in Wien Hisbollah-Fahnen zu sehen sein werden.

An diesem Tag mobilisiert die Hisbollah gemeinsam mit Hilfe der iranischen Diktatur zu Demonstrationen in Europa. Der Al-Quds Tag ist ein politischer Tag, den Khomeini erfunden hat, um eine Massenbewegung gegen Israel zu organisieren. Immer wieder wird an diesem Tag unverhohlen zur Zerstörung Israels aufgerufen. Das iranische Regime und khomeinistische, islamistische Organisationen in Europa mobilisieren an diesem Hasstag gegen Israel. An diesem Tag marschieren Hisbollah und die JubelislamistInnen auf den Straßen, beispielsweise in Berlin und London, und demonstrieren gegen Israel. Bis vor wenigen Jahren hat man auf deutschen Straßen, ganz wie in Teheran, israelische und US-amerikanische Fahnen verbrannt. Dies wurde in Berlin vom Innenministerium verboten, aber es ist tragisch, wie IslamistInnen die Meinungsfreiheit nutzen, um auch in Europa ihre totalitäre Ideologie und ihren Antisemitismus zu verbreiten.

This interview originally appeared here.