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Iran: The logic of Totalitarian power

23 May 2013

Iran's presidential elections are testing the country's power structures and many suspect that it is on its way to becoming a totalitarian state.

Iran: Die Logik der totalitären Macht

Viele hielten es nicht für möglich. Wie konnte der reichste und einer der mächtigsten Männer des Iran, Hashemi Rafsanjani, von den Präsidentschaftswahlen ausgeschlossen werden? Immerhin hat er an der islamistischen Verfassung des Iran mitgearbeitet, hat über die Fortdauer des achtjährigen Krieges gegen den Irak bestimmt, hatte gar Ali Khamenei in die Position des Revolutionsführers gehoben.

Rafsanjani hat sich tatsächlich in einer entscheidenden Frage gegen Khamenei gestellt. Er kritisierte die Unterstützung des Assad-Regimes in Syrien. Dies hatte aber auch Mohssen Rezai getan, der dennoch qualifiziert worden ist. Sicher ist aber Rezai kein ernstzunehmender Konkurrent von Khamenei. Denn die Frage, wer im Iran Präsident wird, hat weniger mit Religion zu tun, als mit totalitären Machtfragen. Und diese haben ihre eigene Logik.

Was haben aber Ali Khamenei und Rafsanjani gemeinsam? Beide werden als Ayatollahs bezeichnet, haben aber noch nicht einmal den religiösen Rang eines Hojatulislam absolviert. Als Machtpolitiker haben sie sich den Namen Ayatollah einfach zuschreiben lassen.

Tatsächlich hatte Ahmad Jannati, Vorsitzender des totalitären Organs des Wächterrates, am 17. Mai angedeutet, dass Rafsanjani nicht gewählt werden könne. Er kritisierte die Lebensweise der Reichen. Ein Präsident könne nicht „mit Mercedes Benz ankommen und wieder abfahren.“ Ein Präsident müsse „einfach leben, nicht aristokratisch. Er muss ein Direktor sein und leiten können. Er muss klar Position beziehen gegen Aufruhr und Verderbtheit.“

Da ist die Familie von Rafsanjani nicht wirklich frei von solchen Lastern. Sein Sohn hat wegen Korruption in Haft gesessen. Seiner Tochter wirft man vor lesbisch zu sein und zudem verkehrt sie in fragwürdigen Kreisen. Hashemi Rafsanjani selbst hat sich nicht entschieden von den in Haft sitzenden Mir Hussein Moussawi und Mehdi Karoubi distanziert. Dies nimmt man ihm besonders übel. Dabei ist er gemeinsam mit Khamenei verantwortlich für das Mykonos-Attentat in Berlin.

Zur Verteidigung von Rafsanjani hat sich inzwischen sogar die Tochter des Diktaturgründers Ayatollah Khomeini gemeldet. In einem Brief an Khamenei schreibt sie, ihr Vater Khomeini habe gedacht, dass Rafsanjani sogar die Position eines Revolutionsführers verdient habe. Khamenei soll noch einmal intervenieren. Es ginge nicht, dass er nun disqualifiziert worden sei, sogar für das Amt des Präsidenten. Sie schreibt in ihrem offenen Brief, den sie in einer Zeitung veröffentlicht hat, sie behaupte nicht, dass „Herr Rafsanjani heute derselbe ist wie zu Lebzeiten von Ayatollah Khomeini.“ Aber die Trennung von Rafsanjani und Khamenei füge der „Revolution und dem System einen großen Schaden zu.“

Auch der Enkelsohn von Khomeini, Hassan Khomeini, hat die Disqualifizierung von Rafsanjani als „unglaublich“ bezeichnet. Hassan Khomeini zeigte sich dennoch loyal indem er sagte, dass er optimistisch sei, denn erst die Zukunft werde den Sinn des Ausscheidens von Rafsanjani verdeutlichen.

Ist er etwa optimistisch, weil Rafsanjani sich auf das Amt des Revolutionsführers vorbereiten könnte?

Ferner verurteilte der konservative Politiker Ali Motahari die Disqualifizierung von Rafsanjani. Für ihn sind es „falsche Gründe“, die zu dieser Entscheidung führten.
Der Wächterrat hat mit seiner Entscheidung aber auch viele Unterstützer. Einer von ihnen ist Mohammadreza Naqdi, der immerhin Oberbefehlshaber der militärischen Bassij-Organisation ist. Es handelt sich bei den Bassiji um eine Abteilung der Revolutionsgardisten, die nach innen jegliche zivilgesellschaftliche Aktivität mit Gewalt zerschlägt.

Rafsanjani steht nicht alleine. Auch sein Pendant Maschai wurde disqualifiziert. Der disqualifizierte Maschai, Lieblingskandidat von Präsident Ahmadinejad, will sich gemeinsam mit Ahmadinejad direkt an den Revolutionsführer Khamenei wenden und um nachträgliche Qualifizierung als Präsidentschaftskandidat bitten.

Weitere wichtige Personen wie der frühere Geheimdienstminister Ali Fallahian und der frühere Außenminister AhmadinejadsManuchehrMottaki wurden ebenfalls disqualifiziert.

Unter den acht qualifizierten Präsidentschaftskandidaten befinden sich zwei ehemalige Atomunterhändler, Said Jalili und Hassan Rohani. Tatsächlich hat Gholam Ali Hadadadel, der vor wenigen Wochen ein Bündnis mit Ghalibaf und Ali Akbar Velayati geschlossen hatte und zugunsten von Velayati zurücktreten wollte, inzwischen gesagt, dass er auch zugunsten von Jalili zurücktreten werde.

Hadadadel sagte, dass er abwarte, falls Jalili verhältnismäßig viele Stimmen hole, werde er zu seinen Gunsten zurücktreten.

Der Revolutionsführer Khamenei will keine Risiken mehr eingehen und die Diktatur stabilisieren, mit aller Gewalt nach innen und nach außen. Der nächste iranische Präsident muss loyal und ein enger Vertrauter Khameneis sein. Diese Aufgabe könnte Jalili erfüllen. Aber es ist keineswegs vorherzusagen, wer der nächste Präsident des Iran wird, was aber nichts mit einer Demokratie oder halben Demokratie zu tun hat.

Die Repressionen im Iran wachsen. In Gefängnissen werden immer mehr Menschen hingerichtet. Immer wieder wird über Hungerstreiks berichtet. Die Arbeiterbewegung meldet sich mit sporadischen Streiks. Die Studenten, Frauen und die Jugend sind unzufriedener als je zuvor. Die soziale Armut wächst täglich.

Weiterhin wird sehr viel Druck auf die religiösen Minderheiten im Iran ausgeübt. Erst am Dienstag wurde Robert Aserian, ein Vertreter der Rabbani-Kirche, einer armenischen Kirche, verhaftet. Den Pfarrern dieser Kirche wird vorgeworfen auch auf Persisch zu predigen. Die totalitären Machthaber haben Angst vor der Verbreitung des Christentums.

Gegenwärtig sitzen allein drei Pfarrer in Haft. Said Abedini, Behnam Irani und Farschid Fathi. Der 33-jährige Said-Abedini hat erneut einen Brief geschrieben, der kürzlich veröffentlicht worden ist. Darin beklagt er die schlimmen Verhältnisse im Gefängnis.

Auch der Druck auf die Juden ist gewachsen. Jede Solidaritätserklärung mit Israel und den USA wird hart bestraft.
Die Unterdrückung der Bahai hat massiv zugenommen. Diese religiöse Gemeinschaft ist besonders bedroht.

Gleichzeitig wächst bei den islamischen Machthabern die Angst vor neuen Aufständen. Militärische Einheiten zur Aufstandsbekämpfung beherrschen die Straßen der iranischen Hauptstadt Teheran, berichten verschiedene iranische Exilzeitungen.

Wer bisher die Hoffnung hatte, dass sich die totalitäre Diktatur durch Wirtschaftsbeziehungen mit Europa öffnen würde, muss sich von den historischen Entwicklungen eines Besseren belehren lassen. Die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Iran haben in den letzten Jahrzehnten nur die Diktatur stabilisiert.

Das Ausmaß der totalitären Macht der Staatskleriker, ihrer Technokraten und ihrer militärischen Einheiten nimmt immer mehr zu. Die Tatsache, dass jeder Politiker, der nicht hundertprozentig loyal agiert aus dem engsten Zirkel der Macht herausgestoßen wird, macht deutlich, wie ein Gleichgewicht der Macht zugunsten der totalitären Herrscher hergestellt werden soll. Mit dieser Methode könnte aber die Massendiktatur des Islamismus ihre Basis verlieren.

Rafsanjani hat einmal geäußert, dass die Islamische Republik auch mit nur fünf Prozent Unterstützung aus der Bevölkerung weiterexistieren könnte. Er meinte damals, dass starke Revolutionsgardisten und Bassij-Einheiten durchaus die totalitäre Macht auch ohne eine Massenbasis stabilisieren können. Die Ironie der Geschichte ist, dass er nun selbst Opfer dieser Logik der totalitären Macht wurde.

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