News
Rivalries and consensus
In recent months there has been much speculation on presidential powers as well as on the way in which they are gradually being stripped away from Iranian president Ahmadinejad. In fact, there is an ongoing dispute between some members of the Khomeinist 'pseudo-parliament,' the Majless, and president Ahmadinejad. In the following article, the author explores the power struggles at the heart of the Iranian regime.
In den letzten Monaten ist viel über die Macht und über die langsame Entmachtung des iranischen Präsidenten Ahmadinejad spekuliert worden. Tatsächlich gab es eine Streitdebatte zwischen einigen Mitgliedern des khomeinistischen Pseudo-Parlaments, Majless, und Ahmadinejad. Da das islamistische Majless mitnichten ein parlamentarisches Volksvertretungsorgan ist, wird im folgenden nur vom "Majless" die Rede sein und nicht vom Parlament. Es geht in diesem Beitrag auch um die Schwächung der langfristigen Machtambitionen des Präsidenten Ahmadinejad. Immerhin wurden einige seiner Anhänger, die staatliche Ämter bekleidet haben, verhaftet.
Es waren die Alleingangsversuche des iranischen Präsidenten, die immer wieder Konflikte verursachten. Das Majless, in dem die khomeinistischen Rivalen des Präsidenten sitzen, stoppte mit Hilfe des Wächterrates und des Revolutionsführers Ayatollah Ali Khamenei den Präsidenten. Ali Khamenei herrscht neben weiteren totalitär-polykratischen Machtorganen. Mit seinen Machtworten stellt der "Rahbar", "Führer", immer wieder einen Ausgleich zwischen den polykratischen Machtzentren dar, in diesem Fall auch zwischen Majless und dem Präsidenten.
In den letzten Monaten warfen die Rivalen Ahmadinejads ihm vor, dass er Ayatollah Khamenei nicht gänzlich folge. Ahmadinejad widersprach stets und beteuerte seine hundertzehnprozentige Loyalität gegenüber dem Revolutionsführer. Die innerislamistischen Machtrivalitäten entstehen in diesem Fall durch die Frage, wer welches Amt, welches Ministerium und welche Machtposition langfristig kontrolliert. Denn es gibt zwischen den verschiedenen totalitären Machtorganen Rivalitäten. Auch wenn die Bereitschaft khomeinistischen Konsens herzustellen nicht zu unterschätzen ist.
Die Ironie des gesamten Konflikts lag daran, dass Majless-Sprecher Ali Larijani und seine Anhänger genau den Plan der Zusammenlegung von Ministerien, den Ahmadinejad vorgeschlagen hatte, am Ende des Streits als ihren eigenen Plan realisierten und feierten. Das Majless wollte wenigstens gefragt werden.
Das Majless beschloss Ende Juni den Plan der Verschmelzung einiger Ministerien wie folgt: von 194 anwesenden Mitgliedern gaben 174 Mitglieder ihre Ja-Stimme, fünf stimmten mit Nein und fünf enthielten sich der Stimme. Das Ministerium für Industrie und Bergbau wurde in das Handelsministerium eingegliedert. Das Ölministerium wurde in das Energieministerium, das Ministerium für Wohlfahrt und soziale Angelegenheiten in das Ministerium für Arbeit, und das Ministerium für Städtebau in das Verkehrsministerium integriert.
Genau diesen Plan hatte ursprünglich auch Ahmadinejad vorgeschlagen. Er wollte den Plan durchsetzen ohne eine Entscheidung des Majless darüber abzuwarten.
Auch Ahmadinejad wollte siegreich aus dem Konflikt herausgehen. Er hob daher hervor, dass das Majless doch eine gute Entscheidung getroffen habe. Ahmadinejad konnte sich siegreich zeigen, denn er hatte sich schließlich durchgesetzt und lobte nach dem ganzen Hickhack sogar das Majless für seine gute Entscheidung.
Es wurde auch ein neues Sportministerium gegründet. In diesem Zusammenhang gab es den Konflikt, ob Ahmadinejads Mann Minister für Sport und Jugend wird. Ahmadinejad hatte Hamid Sajad vorgeschlagen. Er wurde mit 13 Jahren Mitglied der Bassij-Einheiten, die heute einen Teil der Revolutionsgardisten sind. Hamid Sajad ist ein prominenter Läufer, der bei internationalen Wettkämpfen oft Medaillen für den Iran gewonnen hat. Das Majless hat zwar nichts gegen Bassij, entschied sich im Juni aber gegen Ahmadinejads Kandidaten: Insgesamt waren 247 wahlberechtigte Majlessmitglieder anwesend. Sajadi bekam aber nur 87 Stimmen, 137 stimmten mit Nein und 23 Personen enthielten sich.
Es gibt Majless-Mitglieder, die der Meinung sind, dass Ali Dai, der Fußballer, ein guter Sport-Minister sein könnte.
Ein weiteres Beispiel ist, dass Ahmadinejad höchst persönlich das Ölministerium leiten wollte, nachdem er den Ölminister entlassen hatte. Das Majless, Ali Larijani in Person, erwiderte, das sei nicht möglich. Am Ende übernahm Mohammad Ali Abadi die Leitung des Ölministeriums.
Auch um die Erweiterung des Ministeriums für Kultur und islamische Führung gab es Diskussionen mit dem Präsidenten. Dem Majless missfiel, dass Ahmadinejad die Organisation für Kulturerbe, Handwerk und Tourismus unter Kontrolle hatte und entschied sich im Juni diese Organisation insofern zu schwächen, als sie dem Ministerium für Kultur und islamischer Führung untergeordnet wurde. Auch dafür gab es eine Abstimmung im Majless: Von 217 anwesenden Majless-Mitgliedern stimmten 149 für eine Eingliederung in das genannte Ministerium, 43 Mitglieder stimmten dagegen und 9 Personen enthielten sich der Stimme. Für einige strenge islamistische Traditionalisten haben Ahmadinejad und sein Umfeld in letzter Zeit zu nationalistsch argumentiert. Ihrer Meinung nach könnte der nationalistische Populismus eines Ahmadinejad den herrschenden Islam schwächen.
Besonders bei der Frage der Zusammenlegung beschwerte sich das Majless beim Wächterrat und beim "Rahbar", dem Führer. Der Wächterrat formulierte seine Entscheidung sachlich. Das Majless müsse formal diese Entscheidung treffen, wobei natürlich der Wächterrat und der Führer die ganze Prozedur befürworten müssen. Als Ahmadinejad gegen den Wächterrat polemisierte, wurde Ayatollah Khamenei deutlich. Die Entscheidung des Wächterrates dürfe nicht in Frage gestellt werden, auch nicht vom Präsidenten.
Das Majless und der Wächterrat verfolgten eine Zickzackstrategie. Sie lehnten zunächst den Vorschlag des Präsidenten aus formalen und inhaltlichen Gründen ab, um abschließend selbst das gleiche Programm umzusetzen. Dies diente dazu Hürden für Ahmadinejad aufzubauen.
In diesem Konflikt schlugen die Wogen oft sehr hoch. Eine kurze Bilanz: Zunächst hatten 200 Majlessmitglieder in einem Protestbrief gegen den Alleingang Ahmadinejads protestiert. Sie hatten sogar ein Verbot für die Zusammenlegung der Ministerien gefordert. Nachdem längst das Majless selbst die Entscheidung über die Zusammenlegung der Ministerien getroffen hatte, beantragten etwa 100 Majless-Mitglieder dennoch eine Befragung von Ahmadinejad. Dieses Mal sorgte nicht der Wächterrat oder der Revolutionsführer für Ruhe, sondern das Majless-Direktorium. Eine Befragung des Präsidenten sei unnötig. Der Revolutionsführer sprach dann auch noch ein Machtwort zur Beruhigung der Lage. Khamenei rief dieses Mal zur „Einheit des Wortes“ auf. Die Verschmelzung der Ministerien sei „sehr wichtig“ gewesen. Das Majless und die Regierung sollen sich gegenseitig unterstützen und zusammenarbeiten. Die Parole "Einheit des Wortes" stammt von Khomeini, der zu seiner Lebzeit immer wieder die verschiedenen islamistischen Gruppierungen aufforderte den Kurs und die Linie der Macht nicht zu verlassen.
In den iranischen Medien wurde auch der Rücktritt des Geheimdienstministers Heydar Maslahi im April 2011 viel diskutiert. Er ist ein Mann des Präsidenten. Nach einigem Hin und Her befürwortete Ali Khamenei, dass Maslahi Geheimdienstminister bleibt. Prompt bewies Maslahi auch, dass er handeln kann. Er sorgte für die Zerschlagung der Fernuniversität der Bahai, er verhaftete parallel dazu Dutzende vermeintliche CIA-Agenten und feierte die Rückkehr eines iranischen Geheimdienstagenten namens Madhi, der über Monate im Ausland die oberen Ränge der Exilopposition infiltriert hatte.
Mahdi hatte erklärt, dass er sich abgesetzt habe und nun die Opposition organisieren wolle. Er verbreitete das Gerücht, dass die Hälfte der Armee auf ihn hören würde und er in der Lage sei eine Exilregierung zu gründen. General Madhi kehrte im Juni 2011 in den Iran zurück, mit einem Paket voll von Informationen über die Exilopposition. Ahmadinejad und sein Geheimdienstminister plus Revolutionsführer konnten nun gemeinsam den Coup feiern.
Ahmadinejad hatte um seine populistische Politik durchzusetzen zwei Strategien gehabt. Einmal argumentierte er nationalistisch und gleichzeitig hob er die messianische Komponente der khomeinistischen Staatsideologie besonders deutlich hervor. Manche seiner Anhänger, die mit solchen Parolen ihre Machtposition stärken wollten und offenbar auch auf den baldigen Tod des Revolutionsführers setzten, wurden als "Abweichler" identifiziert. Der Begriff "Abweichler" wurde auch von einigen früheren Anhängern von Ahmadinejad benutzt, um das Umfeld von Ahmadinejad zu treffen.
Als Vertreter der „abweichenden Bewegung“ gelten Esfandiar Rahim Maschai und seine Freunde. Mitte Juli wurde Azadeh Ardakani, die Englischlehrerin von Maschai, die gleichzheitig das nationale Museum des Iran geleitet hatte, entlassen. Maschai gehört seit Jahren zu den engsten Mitarbeitern und nahen Verwandten von Ahmadinejad. Mashai wurde zunächst zum Sekretär des Präsidenten gewählt. Khamenei gab jedoch sein Nein. Mashai trat freiwillig zurück. Ahmadinejad setzte ihn dann umgehend als seinen Büroleiter ein. Den „Abweichlern“ um Ahmadinejad wird von Traditionalisten unterstellt zu nationalistisch und nicht ausreichend religiös zu argumentieren.
In April/Mai 2011 wurden rund 25 Personen, die um Esfandiar Rahim Mashai arbeiteten und in Amt und Würden waren, verhaftet. Es handelte sich um eine klare Säuberung. Dieser Kreis von islamistischen Abweichlern wollte partiellen Nutzen aus der messianischen Staatsideologie des Iran ziehen. Sie setzten diese für die Stärkung ihrer eigenen Machtposition ein. Abbas Amirifar, ein naher Mitarbeiter von Maschai wurde verhaftet, weil er eine DVD über das baldige Erscheinen des Messias, des verschwundenen 12. Imam, vertrieben hatte. Der Film ist inzwischen in Youtube zu sehen. Offenbar hat sich die Machtclique Hoffnungen gemacht, dass sie nach dem Tod des Revolutionsführers Ali Khamenei die Macht ergreifen oder zumindest ihre Machtposition ausbauen können.
Khamenei und sein Geheimdienst gingen gezielt und entschieden gegen das Umfeld von Maschai vor. Er selbst und natürlich auch Präsident Ahmadinejad sollten nur gewarnt werden, dass sie keine Alleingänge machen können.
Maschai schlug auch zurück und warnte. Beispielsweise warf er seinen Rivalen vor Zwietracht zwischen ihm und dem Revolutionsführer Khamenei säen zu wollen. Es war Maschai, der sagte: „Wir betrachten das Leben im Lichte der absoluten Herrschaft des Klerus als eine Übung für das Leben unter der Regierung des Messias und betrachten den Gehorsam gegenüber dem Revolutionsführer als ein Mittel unseren Glauben an den kommenden Messias zu stärken.“ Beide, Maschai und Ahamdinejad, betonten stets, dass sie sehr eng mit dem Revolutionsführer verbunden seien.
Der Glaube an den Messias und die Legitimation der Herrschaft durch den Messiasglauben sind im Iran systemimmanent. Nur darf sich diese Vorstellung nicht gegen den Revolutionsführer richten. Falls die Machtmonopolisten eine solche Abweichung feststellen, stehen Verhaftungen sogar unter den engsten Kreisen auf der Agenda.
Schließlich warnte auch Ahmadinejad am 29. Juni, dass falls man ihn und seine Minister noch mehr einschränken wolle, er plaudern und einiges dem Volk mitteilen werde, was es offenbar noch nicht weiß. Seine rote Linie sei sein Regierungskabinett. Niemand dürfe es antasten.
Das islamistische Establishment ist durchaus in der Lage ein Gleichgewicht zu halten, auch wenn immer wieder Köpfe rollen.
Khamenei will nicht, dass die Streitereien mit Ahmadinejad sich zu einem unlösbaren Konflikt entwickeln. Diese sollten die Stabilität der Diktatur nicht gefährden. Er setzt darauf, dass Ahmadinejad ohnehin nicht zum dritten Mal Präsident werden kann. Es muss angenommen werden, dass die Clique um Ahmadinejad auch weiterhin versuchen wird in Ministerien und anderen Organen ihre Machtbasis und Einflusszonen zu erhalten.
Gleichzeitig machen die innerislamistischen Machtkonflikte und insbesondere die Verhaftungen deutlich, dass der Geheimdienst und der Wächterrat nicht die geringste Abweichung von der Linie der Diktatur dulden.
Diejenigen, die in der innerislamistischen Streitkultur ein demokratisches Potential sehen, befinden sich auf dem Irrweg. Denn die khomeinistische totalitäre Macht erscheint im Informationszeitalter in digitaler Form, per Satellit und im Internet als bunt.
Last not least: Die Gegner von Ahmadinejad können strenger sein, als man denkt. Beispielsweise kritisieren sie, warum das Gesetz für „Keuschheit und Hijab“ zur noch strengeren Durchsetzung der islamischen Zwangsverschleierung der Frauen noch nicht durchgesetzt worden sei.
(Quellen: Farsnews, IRNA, ISNA, Mehrnews, Kayhan, Tehran Times, BBC-Farsi, Radio Farda)
This article was originally published here.